Tangstedt, 26.07.2024. Zum Zeitpunkt seiner Berufung war er der erste Minister in Deutschland ohne deutschen Pass; er gilt als Verfechter des Bürokratieabbaus: Claus Ruhe Madsen, Schleswig-Holsteins Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus. Wir sprachen mit ihm über die Vereinbarkeit von nachhaltigen und wirtschaftlichen Zielen und warum ein Blick nach Dänemark lohnt.
Herr Madsen, seit zwei Jahren sind Sie als Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus im Amt. Gibt es ein spezielles Thema für Schleswig‐Holstein, das Sie am meisten an‐ oder umtreibt?
C. R. Madsen: Wir stehen vor vielen großen Herausforderungen, aber insbesondere der wachsende Fachkräftebedarf im Land beschäftigt mich sehr. Wenn wir hier nicht alle zusammen gegensteuern, wird das gravierende Auswirkungen auf Schleswig-Holstein als Wirtschaftsstandort haben. Deswegen arbeiten wir unter anderem daran, ausländische Fachkräfte nach Schleswig-Holstein zu locken. Unser neues Welcome Center spielt dabei eine zentrale Rolle. Aber auch im Land haben wir noch einige Menschen, die wir mit den richtigen Maßnahmen in Arbeit bringen wollen. Dazu zählen zum Beispiel Langzeitarbeitslose oder Menschen mit Behinderung. Generell müssen wir an vielen Stellen pragmatischer werden und wichtige Themen schneller vorantreiben. Ich bin sehr dafür, Pilotprojekte zu starten und das „Wie“ anstatt das „Ob“ in den Vordergrund zu stellen.
Für unsere Unternehmensgruppe spielt das Thema Nachhaltigkeit eine bedeutende Rolle. Zirkuläres Bauen ist ein Aspekt, der die Baubranche revolutionieren könnte. Gemeinsam mit Projektpartnern haben wir im vergangenen Jahr neuartigen R‐Beton auf den Weg gebracht und erfolgreich eingesetzt. Weitere Recycling‐Produkte aus Bauschutt sind in Planung. Doch bei der Umsetzung stoßen wir immer wieder auf bürokratische Hürden und langwierige Genehmigungsverfahren …
C. R. Madsen: Das ärgert mich auch. Wir müssen dringend dafür sorgen, dass es sich als Unternehmen lohnt auf nachhaltige Rohstoffe zu setzen und ihnen keine Steine in den Weg legen. Viele Vorgänge dauern häufig immer noch viel zu lange und sind zu kompliziert konzipiert. Deswegen ist der Bürokratieabbau auch ein Schwerpunkt meiner Arbeit. Wir als Land Schleswig-Holstein wollen beim Thema Nachhaltigkeit weiter voranschreiten und dabei darf die Bürokratie kein unüberwindbares Hindernis darstellen. Dafür werde ich mich weiter einsetzen.
Ein Blick über die Landesgrenze zeigt, dass uns Dänemark im Bereich der Digitalisierung voraus ist. Auch scheinen die Wege von der Innovation zur Umsetzung allgemein kürzer, denkt man beispielsweise an den Ausbau der Kapazitäten für Offshore‐Windparks. Reicht hierzulande ein Gesetz zum Bürokratieabbau, um die Innovationsbereitschaft im deutschen Mittelstand zu fördern oder gibt es mehr von Dänemark zu lernen?
C. R. Madsen: Mit einem Gesetz zum Bürokratieabbau ist es nicht getan. Bürokratieabbau setzt an vielen verschiedenen Stellen an. Wir als Land haben da nur begrenzte Möglichkeiten, vieles wird auf Bundes- oder EU-Ebene entschieden. Deswegen haben wir erfolgreich eine Bundesratsinitiative gestartet und den Bund aufgefordert, endlich tätig zu werden. Auch über das Thema bürokratische Pflichten hinaus können wir sicher einiges von Dänemark lernen. Ein gutes Beispiel ist der Fehmarnbelttunnel. Große Bauprojekte werden in Deutschland häufig sehr zeitintensiv diskutiert, dann gibt es Klagen und die Projekte schreiten nur sehr langsam voran. In Dänemark diskutiert und plant man Bauprojekte auch mit sehr viel Sorgfalt, aber die Vorhaben werden dann zügig genehmigt und umgesetzt. Insgesamt müssen wir das Tempo bei Entscheidungen erhöhen. Ich denke da insbesondere an all die mittelständischen Unternehmen im Land, deren Umsatz empfindlich darunter leidet, wenn Entscheidungen sich um Monate oder Jahre verzögern.
Welches Projekt erfüllt Sie in Ihrer bisherigen Amtszeit mit besonderer Freude?
C. R. Madsen: Ich kann gar kein konkretes Projekt benennen. Was mir auf jeden Fall am meisten Spaß macht, sind die Termine vor Ort. Der direkte Austausch mit Unternehmerinnen und Unternehmern, mir deren Unternehmen anschauen, Baustellen besuchen, engagierte Menschen vor Ort treffen. Das ist für mich so viel wert, denn dort erfährt man aus erster Hand, was die Wirtschaft und was die Menschen vor Ort bewegt. Mir ist es wichtig, mit meiner Politik Verbesserungen zu erreichen. Ich bin immer offen für Vorschläge. Gerade die Unternehmen wissen, welche bürokratischen Pflichten sie am meisten belasten oder wo es möglicherweise Handlungsbedarf gibt. Das kann ich nur schwer aus meinem Büro in Kiel heraus beurteilen. Deswegen ist mir der direkte Austausch so wichtig. So können wir Schleswig-Holstein gemeinsam Schritt für Schritt besser machen. Das macht mir Freude.
Vielen Dank, Herr Madsen, für das spannende Interview!